„John von Bergen – RELICS“ und „Eingedenken – Geschichten freilegen“
07.11. | 19:00 | Ausstellungseröffnung
Kabinett – Eintritt frei; mit einer Einführung durch Katja Stintz, Kunsthistorikerin M.A., freie Kunst- und Kulturvermittlerin in Dresden und Dr. Antje Winkler
Öffnungszeiten: bis 17.11., Do-So, 17-20 Uhr u. auf Anfrage
Die Veranstaltung ist Teil des Rahmenprogramms des Erinnerungspolitischen Fachtags „Sicht|Felder. Kunst, Gedächtnis und Erinnerung“.
„John von Bergen – RELICS“
Anlässlich des Erinnerungspolitischen Fachtags zeigt das Kabinett, Raum für Gegenwartskunst im Zentralwerk Dresden, die Ausstellung RELICS des US-amerikanischen Künstlers John von Bergen. Bereits 2018 hatte John von Bergen die Reihe von Installationen, die sich zu RELICS zusammenfügen, speziell für das Zentralwerk konzipiert. Die entstandenen Werke nehmen direkten Bezug auf die Geschichte des Geländes, vor allem als Standort industrieller Produktion unter wechselnden politischen und sozialen Rahmenbedingungen. Sie basieren einerseits auf einer Recherche, die die unterschiedlichen Erzeugnisse in den Blick nimmt, die im Laufe des zwanzigsten Jahrhunderts auf dem Gelände des heutigen Zentralwerks produziert wurden, und reagieren andererseits unmittelbar auf die Räume, in denen diese Produktion stattfand.
In jeder einzelnen Arbeit nimmt sich der Künstler einer Periode im geschichtlichen Verlauf an, von der Herstellung von Schreibmaschinen während der 20er Jahre über die Produktion von Rüstungsgütern unter Einsatz von Zwangsarbeit während des Nationalsozialismus bis in die Zeit des Druckereibetriebs „Völkerfreundschaft“ in der DDR. Dazu gehören eine hundert Jahre alte Schreibmaschine, der Zünder einer Nazi-Bombe, eine Reihe Comics aus der Produktion des Druckereibetriebs, ein unscheinbarer Riss im Boden, eine eingefallene Ziegelmauer – alle diese Objekte und Spuren sind Ausgangspunkt der künstlerischen Interventionen John von Bergens.
Die Ausstellung unterscheidet sich stark von den Vitrinen, die in einem Archiv oder einem Museum zu erwarten wären, da es hier nicht um eine Objektstudie mit historischer oder bildender Absicht geht und noch weniger um das Hochhalten von Paraphernalien. Einerseits liegt das Interesse darin, die möglicherweise zweischneidige Beziehung zu Artefakten zu untersuchen; eine Beziehung, die Gefühle, Neugier, Fetischismus oder Verachtung hervorrufen kann. Andererseits wird der Raum mit seiner teils schrecklichen Geschichte zum Katalysator für Projekte, die von einer rein verstandesgeleiteten Intervention abweichen.
RELICS zeigt sich in einer atmosphärisch dichten Sprache, die eng an Bergens übriges Oeuvre anschließt und bietet damit das Potential, das Unnennbare anzusprechen. Das Aufwirbeln unterschiedlicher Staubschichten hat eine Gruppe ortsspezifischer Arbeiten angeregt, die wie ein Nachhall auf die verschiedenen historischen Kapitel reagiert und damit auch auf die zwiespältige Kontinuität reflektiert, die durch die gegenwärtige (Kultur-)Produktion an diesem Ort besteht.
Es scheint, als hätte sich in den sechs Jahren, in denen die Arbeiten in den Räumen des Zentralwerks lagerten – nun selbst Teil der jüngsten Geschichte des Orts und Teil eines Archivs – die Welt stärker verändert als in dem Vierteljahrhundert, das zwischen der Schließung des Druckereibetriebs und der Eröffnung des Zentralwerks im Jahre 2017 liegt. Entwicklungen, die sich zur Zeit der ersten Schau 2018 erst abzeichneten, sind seitdem mit großer Wucht ins kollektive Bewusstsein gerückt. Wir haben uns deshalb entschieden, die Installationen John von Bergens aus Anlass des Erinnerungspolitischen Fachtags erneut zu zeigen. Wir sind von der Möglichkeit überzeugt, sie als Katalysator für unsere Fragen an die Zeit und unser Tun im gegenwärtigen, von gesellschaftlichen Verwerfungen gezeichneten Kontext verwenden zu können.
John von Bergen, geboren 1971 in Greenwich, Connecticut, USA, studierte an der School of Visual Arts in New York City, die er mit dem Bachelor of Fine Arts abschloss. Seit er 2003 nach Berlin umsiedelte, wurden seine Arbeiten in verschiedenen internationalen Museen, Galerien und Einrichtungen gezeigt, darunter Halle 14 (Leipzig), Wilhelm-Hack Museum (Ludwigshafen), Galeria Pilar (São Paulo), Pera Museum (Istanbul) und Smack Mellon (New York City). Er erhielt zahlreiche Stipendien und Preise und veröffentlichte 2014 seine erste Monografie „CORE“, die Zeichnungen, Objekte sowie große Rauminstallationen präsentiert.
Bildnachweis: © René Jungnickel
„Eingedenken – Geschichten freilegen“
Im Rahmen eines kunstpädagogischen Seminars an der Universität Potsdam machten sich vier Studierende und eine Dozentin auf den Weg zum Alten Leipziger Bahnhof in Dresden. Ziel war es, wahrnehmungsorientiert zu ermitteln, auf welche Weise sich was an diesem Ort zeigen würde. Bekannt war den Studierenden vorab ausschließlich, dass es sich dabei um den Deportationsbahnhof Dresdens handelte.
Performativ, zeichnerisch, foto-, audio- und videografisch spürten sie nach, was sich in den sehr persönlichen Erfahrungen und Begegnungen mit dem Alten Leipziger Bahnhof offenbarte.
Inspirieren ließ sich die Gruppe dabei von Walter Benjamin: Benjamin weist auf die Bedeutung der Unterbrechung von Linearität für die ästhetische Wahrnehmung hin und entwickelt auf dieser, basierend in seinem Text „Über den Begriff der Geschichte“, sein Verständnis von Geschichte.
Die Ausstellung präsentiert die künstlerischen Arbeiten einer noch im Prozess befindlichen Suchbewegung von Nilgün Corogil, Ida Wuttke, Uriel Klein, Yannik Krüger-Jacoby und Antje Winkler.
Dr. Antje Winkler ist Kunstpädagogin und arbeitet seit 2023 an der Universität Potsdam im Bereich Lehramt Kunst. Ihr Interesse gilt einer kritischen und zeitgenössischen Kunstdidaktik und -pädagogik. Künstlerisch arbeitet sie u.a. an Lecture-Performances, 2020 z.B. an „Deborah geht dazwischen“ für den Performance Garten 7 (Köln).