Der Ort und seine Geschichte

Der Gebäudekomplex befindet sich auf dem Areal zwischen Großenhainer Straße, Heidestraße und Riesaer Straße in Dresden Pieschen und hat eine sehr wechselhafte Geschichte.

Anfang der 1920er Jahre wurde das erste Produktionsgebäude auf dem Gelände durch die Clemens Müller AG  errichtet. Bis zu seiner Stilllegung 1932 wurde das Werk für die Produktion von Nähmaschinen und Großschreibmaschinen genutzt

Ab 1939 wurde auf der Grundlage eines Geheimvertrags zwischen dem Oberkommando der Deutschen Kriegsmarine das Areal mit Geldern des Reichsfiskus für die Rüstungsproduktion ausgebaut. Die reichseigene Produktionsstätte wurde der Zeiss Ikon AG nur zur Nutzung übergeben.

Auf Bestellung der Deutschen Kriegsmarine wurden hauptsächlich Flakzünder, aber auch  Zünder für Wasserbomben und Aufschlagzünder für Brandschrapnells hergestellt. Die Dresdner Zeiss Ikon Werke waren während des zweiten Weltkriegs mit insgesamt rund 6000 Mitarbeitern größter Hersteller von Rüstungsgütern in der Stadt.

Die für die Herstellung der Zünder benötigten spezialisierte Fachkräfte (Werkzeugmacher, Uhrmacher und Feinmechaniker) wurden zunächst über das Arbeitsamt zur Arbeit im Goehle-Werk zwangsverpflichtet. Im Laufe des Krieges wurden zunehmend  Zwangsarbeiter, zunächst ca. 300 Dresdner Juden rekrutiert.

Die Zeiss Ikon AG beschäftigte 1944/45 mindestens 2600 weitere Zwangsarbeiter und mehr als 1000 KZ-Häftlinge in seinen Werken in Dresden.

Von Oktober 1944 bis  April 1945 arbeiteten im Goehle-Werk insgesamt fast 700 Frauen aus den Konzentrationslagern Flossenbürg (200), Auschwitz (300) und Ravensbrück (197). Bei den Häftlingen aus Flossenbürg und Auschwitz handelte es sich fast ausschließlich um Russinnen und Polinnen. Beim letzten Transport aus Ravensbrück waren neben Russinnen und Polinnen auch zahlreiche deutsche und französische sowie einige Luxemburgerinnen, Italienerinnen, Tschechinnen sowie eine Ägypterin.

Untergebracht waren die Frauen im Werk, die Arbeitsplätze befanden sich ein oder zwei Stockwerke darunter.

Beim sogenannten „Goehlewerk-Prozess“ wurden im Januar 1949 zehn Angeklagte, darunter der stellvertretende Betriebsleiter Nitsche sowie mehrere Meister und SS-Aufseherinnen zu Haftstrafen zwischen einem und acht Jahren verurteilt.

Nach 1945 wurden die Produktionsgebäude zur Druckerei Grafischer Großbetrieb Völkerfreundschaft umgenutzt. Die ganze Palette der sozialistischen Druckerzeugnisse wurde hier gedruckt, von der Frösi für Kinder bis zu parteiinternen Drucksachen. Der Karl-Herrmann-Saal war eine der wenigen und wohl die wichtigste Kulturstätte im zerstörten Dresden nach dem Zweiten Weltkrieg.

Seit 1996 stand das Areal leer und wurde seither, abgesehen von vorübergehenden Mietern des Saals, nicht mehr genutzt. Die Geschichte des durchaus auffälligen Gebäudekomplexes verlor immer mehr an Bedeutung: Während viele Dresdner sich noch an dessen Nutzung als Druckerei erinnern mögen, ist die Geschichte vor 1945 weitestgehend in Vergessenheit geraten.

Derzeit wird dieser Ort in eine Kulturfabrik umgewandelt. Das Projekt wurde durch den friedrichstadtZentral e.V. initiiert (heute in Zentralwerk e.V. umbenannt), was zur Gründung der Zentralwerk Kultur- und Wohngenossenschaft eG geführt hat. Das Zentralwerk verbindet Wohnen, Arbeiten, Kunst und Kultur auf einem Gelände. KünstlerInnen, GeisteswissenschaftlerInnen, ArchitektInnen und Handwerker sammeln sich hier an einem Ort, der hauptsächlich aus Schnittstellen besteht. Verschiedene Disziplinen und verschiedene Altersgruppen gestalten ihr Lebens- und Arbeitsumfeld zusammen; Austausch, Heterogenität und Kooperation machen den Alltag aus. Dadurch entsteht ein dauerhafter Diskurs, der die Schnittstellen auf dem Gelände insbesondere durch die Kulturarbeit im Saal auch nach außen trägt.

Projekte, die sich mit der Geschichte des Geländes beschäftigen, finden Sie bei Programm unter dem Reiter “Erinnerungskultur”.

Bildnachweis: © Archiv Prinovis GmbH & Co